Wie oft stehen wir im Laden, egal ob klassischer Herrenausstatter, oder fancy-hippe Modeboutique und sehen den Anzug vor lauter Ärmeln nicht mehr. Vielleicht haben wir noch Glück und erwischen eine vom Aussterben bedrohte Spezies, die untypischerweise auf keiner roten Liste geführt wird – den guten Verkäufer. Leider – vom allgemeingültigen Optimierungszwang wegrationalisiert – gibt es heute kaum noch wirklich leidenschaftliches, gutes und qualifiziertes Personal. Was also tun, wenn das Glück uns heute nicht hold ist? Ich werde im Folgenden versuchen euch einige wenige, aber klare und – hoffentlich – hilfreiche Überlebenstipps aus für den Dschungel der Textilindustrie zu geben.
Klassischerweise, wenn man GAR NICHTS falsch machen möchte – unabhängig von Alter und Hautton respektive Haarfarbe und/oder -pracht – greifen wir zu einem klassischen Marine oder Dunkelblau. Blau wurde in den letzten Jahren und Saisons von jedem Modelabel in allen denkbaren Nuancen durchdekliniert. Ich zitiere an dieser Stelle gerne einen befreundeten Modedesigner mit einschlägiger Erfahrung: „Blau ist geduldig!“. Sollte euch der Sinn nicht nach einem der klassischen Blautöne stehen, dann orientiert euch an eurer Augenfarbe und eurem Hautton. Gleicht beide Töne am besten mit dem fertigen Konfektionsteil oder einem Stoffmuster ab. Greift, solltet ihr ohne Begleitung unterwegs sein, zu einem euch sympathischen Farbton oder Muster. Traut euch auch ruhig aus eurer Komfortzone heraus und greift zu Mustern: Karos, Streifen (Nadelstreifen für die ganz Mutigen, Schattenstreifen und Fischgrät für die Neulinge bei Mustern).
Wende Dich an den Dealer Deines Vertrauens! Stoff, Stoff, Stoff, alleine zu diesem Thema gäbe es stunden- und seitenlange Vorträge zu halten. Um euch zu schonen fasse ich mich kurz. Webereien aus Italien und England stehen im absoluten Fokus. Namentlich sind hier folgende Firmen anzuführen, die für absolute Zuverlässigkeit und Qualität stehen:
Aus Italien:
Vitale Barberis Canonico
Tuche von Ariston und Cacciopoli
Loro Piana
Gruppo Carnet mit Delfino, Ratti, Guabello
Reda
Aus England:
Dugdale
Harrisons
Huddersfield Fine Worsted
Holland & Sherry
W. Bill
J.J. Minnis
Smith Wollens
Kurz und gut, orientiert euch an Naturfasern. Mischgewebe aus Wolle und Seide, Mischungen mit Kaschmir, Leinen, Lambswool etc. Auf Wunsch gehe ich auch gerne ein andermal separat auf Trageeigenschaften und Vor- bzw. Nachteile einzelner Gewebe und Mischungen ein.
Der Preis ist heiß! In einer schier unüberschaubaren Welt der textilen Produktion und Fertigungsstandorte scheint es beinahe unmöglich einen realistischen Preis zu nennen. Tatsächlich ist es aber so, dass der Preis eines guten Anzuges schlicht und einfach auf seine Fertigung und die eingesetzten Materialien herunter zu brechen ist.
Grundlegend müssen wir hier einmal drei unterschiedliche Fertigungsarten unterscheiden:
Fused (frontfixiert / geklebt – ohne Rosshaareinlage)
Half Canvas (fronfixiert aber mit Rosshaareinlage und auch teilweise pikiert bzw. geheftet)
Full Canvas (lose geheftet / pikiert, Rosshaar und Wattierung quasi „freischwimmend verlegt“)
Fused
Was sind nun die Vor- bzw. Nachteile und die resultierenden Preise? Beginnen wir mit dem was die meisten unter uns kennen, seit sie von ihren Eltern das erste Sakko, den ersten Anzug bekamen – das geklebte Teil. Seit Industrialisierung, Standardisierung und Massenproduktion nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr an Bedeutung gewannen, zog die Textilindustrie nach und kreierte den Anzug für Jedermann. Schnell und günstig zu produzieren, günstig zu erwerben und nicht für die Ewigkeit genäht – ein typisches Produkt seiner Zeit und des Fortschrittglaubens in einer ausgehungerten Massenkonsumgesellschaft, frühes Fast Fashion. Heute ist das der Standard, der überall und jederzeit zu erwerben ist. Die Materialien und Produktionstechniken haben sich natürlich verbessert und wurden wertiger, dennoch bildet dieses Segment noch immer den Einstieg in die Welt der Anzüge an. Ein guter industriell gefertigter Anzug liegt heute bei ca. 600 € bis 1.000 € – abhängig vom eingesetzten Oberstoff, den verwendeten Futterstoffen und der Produktion in Europa, oder Asien. Daraus resultiert der Vorteil der niedrigen Anschaffungskosten und die Passform ist auch nicht zwangsläufig schlecht, bietet aber Komfortnachteile im Vergleich zu den anderen Varianten.
Half Canvas
Wie bereits bei Fused erläutert unterscheiden sich Half Canvas und Fused in der Steigerung des Komforts beim Tragen und der Verarbeitungsqualität, die auch wieder zu einer deutlich verbesserten Passform führt. Ein guter Anzug Half Canvas kostet ab 1.200 € aufwärts.
Full Canvas
Der König der Anzüge. Traditionell wird ein Anzug, oder Sakko so verarbeitet. Die sogenannte Lose Verarbeitung bietet einen unglaublichen Komfort beim Tragen und in der Passform. Hitze und Transpiration sind kein Problem, da die durchlässige Verarbeitungsweise einen Austausch zwischen Außenluft und Anzuginnerem ermöglicht. Das gilt natürlich auch bei Kälte, denn das entstehende Luftpolster isoliert hervorragend. Einmal mit dieser Qualität in Berührung gekommen möchte man eigentlich nichts anderes mehr tragen. Je nach Provenienz kostet dieser Luxus aber auch schon zwischen 1.600 € und dem Himmel als Grenze.
Die im Vorfeld genannten Preise beziehen sich alle auf Ready-To-Wear Kollektionen, sprich die sog. Stangenware. Eine Entscheidung für, oder gegen Maßkleidung muss ein jeder von euch selbst treffen. Die Vorteile gegenüber der Stangenware liegen klar auf der Hand – es passt schlicht und ergreifend einfach besser! Solltet ihr jedoch auch mit Schnittführung und Passform eines bestimmten Herstellers sehr gut zurechtkommen, könnt ihr natürlich auch von der Stange kaufen. Vollmaß oder Maßkonfektion ist heute immer wieder eine Streitfrage. Kurzes klares Statement hierzu: Ein sehr guter Maßkonfektionär steht dem klassischen Maßschneider in fast nichts nach. Maßkonfektion hat eine lange Entwicklung hinter sich und bietet im gehobenen Segment fast die volle Freiheit der traditionellen Maßschneiderei. Auch hier gilt: der Preis wird vom Produktionsstandort, den eingesetzten Tuchen und dem Markennamen diktiert. Made in China, Made in Germany, oder Made in Europe. Es ist eine Frage des Gewissens und der gelebten Kultur.
Was also macht einen guten Anzug aus? Habe ich jetzt irgendetwas Wichtiges gelernt?
Ich hoffe diese Fragen könnt ihr jetzt aus dem Stegreif und um zwei Uhr morgens blitzschnell beantworten, bzw. bejahen. Ein guter Anzug ist der Anzug, der ZU Dir passt, der AN Dir passt. Ein Anzug, der Deinen Mitmenschen stille Bewunderung abringt, weil die Details, das Tuch, der Fall und die Passform so auf dem Punkt sind, dass nur wortloses Staunen diesem Auftritt noch gerecht werden kann. Das ist der gute Anzug. Stil- und Typberatung, Passform und Schnittführung bespreche ich mit euch gerne ein andermal.
Also: seid authentisch, seid ihr selbst und tut euch was Gutes mit guter Garderobe!
Christoph Tresp, geboren 1986, lebt und arbeitet in und aus Weißenburg im fränkischen Seenland. Christoph hat nach dem Abitur die Familientradition fortgesetzt und ist in der Textilbranche geblieben. Über Stationen bei Herrenkonfektionären und Sportswearproduzenten betreibt Christoph heute seine eigene Maßkonfektionslinie und ist als Tuchgroßhändler im deutschsprachigen Raum zuhause. Jahrelang erarbeitetes Expertenwissen rund um Anzüge und deren Produktion sowie seine Leidenschaft für Stoffe teilt er auch gerne mit seinen Kunden. Christoph gibt auch Stil- und Typberatung bei größeren mittelständischen Unternehmen.
Woran erkennt man einen guten Anzug?
Ein guter Anzug – was ist das eigentlich?
Wie oft stehen wir im Laden, egal ob klassischer Herrenausstatter, oder fancy-hippe Modeboutique und sehen den Anzug vor lauter Ärmeln nicht mehr.
Vielleicht haben wir noch Glück und erwischen eine vom Aussterben bedrohte Spezies, die untypischerweise auf keiner roten Liste geführt wird – den guten Verkäufer. Leider – vom allgemeingültigen Optimierungszwang wegrationalisiert – gibt es heute kaum noch wirklich leidenschaftliches, gutes und qualifiziertes Personal.
Was also tun, wenn das Glück uns heute nicht hold ist? Ich werde im Folgenden versuchen euch einige wenige, aber klare und – hoffentlich – hilfreiche Überlebenstipps aus für den Dschungel der Textilindustrie zu geben.
Themenübersicht
Die Farbe des Anzugs
Der Stoff
Die Kosten
Maß aller Dinge oder lieber von der Stange?
Fazit
Die Farbe des Anzugs
Klassischerweise, wenn man GAR NICHTS falsch machen möchte – unabhängig von Alter und Hautton respektive Haarfarbe und/oder -pracht – greifen wir zu einem klassischen Marine oder Dunkelblau. Blau wurde in den letzten Jahren und Saisons von jedem Modelabel in allen denkbaren Nuancen durchdekliniert. Ich zitiere an dieser Stelle gerne einen befreundeten Modedesigner mit einschlägiger Erfahrung: „Blau ist geduldig!“.
Sollte euch der Sinn nicht nach einem der klassischen Blautöne stehen, dann orientiert euch an eurer Augenfarbe und eurem Hautton. Gleicht beide Töne am besten mit dem fertigen Konfektionsteil oder einem Stoffmuster ab. Greift, solltet ihr ohne Begleitung unterwegs sein, zu einem euch sympathischen Farbton oder Muster.
Traut euch auch ruhig aus eurer Komfortzone heraus und greift zu Mustern: Karos, Streifen (Nadelstreifen für die ganz Mutigen, Schattenstreifen und Fischgrät für die Neulinge bei Mustern).
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Der Stoff
Wende Dich an den Dealer Deines Vertrauens!
Stoff, Stoff, Stoff, alleine zu diesem Thema gäbe es stunden- und seitenlange Vorträge zu halten. Um euch zu schonen fasse ich mich kurz.
Webereien aus Italien und England stehen im absoluten Fokus. Namentlich sind hier folgende Firmen anzuführen, die für absolute Zuverlässigkeit und Qualität stehen:
Aus Italien:
Aus England:
Kurz und gut, orientiert euch an Naturfasern. Mischgewebe aus Wolle und Seide, Mischungen mit Kaschmir, Leinen, Lambswool etc. Auf Wunsch gehe ich auch gerne ein andermal separat auf Trageeigenschaften und Vor- bzw. Nachteile einzelner Gewebe und Mischungen ein.
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Die Kosten
Der Preis ist heiß! In einer schier unüberschaubaren Welt der textilen Produktion und Fertigungsstandorte scheint es beinahe unmöglich einen realistischen Preis zu nennen. Tatsächlich ist es aber so, dass der Preis eines guten Anzuges schlicht und einfach auf seine Fertigung und die eingesetzten Materialien herunter zu brechen ist.
Grundlegend müssen wir hier einmal drei unterschiedliche Fertigungsarten unterscheiden:
Fused
Was sind nun die Vor- bzw. Nachteile und die resultierenden Preise? Beginnen wir mit dem was die meisten unter uns kennen, seit sie von ihren Eltern das erste Sakko, den ersten Anzug bekamen – das geklebte Teil. Seit Industrialisierung, Standardisierung und Massenproduktion nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr an Bedeutung gewannen, zog die Textilindustrie nach und kreierte den Anzug für Jedermann. Schnell und günstig zu produzieren, günstig zu erwerben und nicht für die Ewigkeit genäht – ein typisches Produkt seiner Zeit und des Fortschrittglaubens in einer ausgehungerten Massenkonsumgesellschaft, frühes Fast Fashion. Heute ist das der Standard, der überall und jederzeit zu erwerben ist. Die Materialien und Produktionstechniken haben sich natürlich verbessert und wurden wertiger, dennoch bildet dieses Segment noch immer den Einstieg in die Welt der Anzüge an. Ein guter industriell gefertigter Anzug liegt heute bei ca. 600 € bis 1.000 € – abhängig vom eingesetzten Oberstoff, den verwendeten Futterstoffen und der Produktion in Europa, oder Asien. Daraus resultiert der Vorteil der niedrigen Anschaffungskosten und die Passform ist auch nicht zwangsläufig schlecht, bietet aber Komfortnachteile im Vergleich zu den anderen Varianten.
Half Canvas
Wie bereits bei Fused erläutert unterscheiden sich Half Canvas und Fused in der Steigerung des Komforts beim Tragen und der Verarbeitungsqualität, die auch wieder zu einer deutlich verbesserten Passform führt.
Ein guter Anzug Half Canvas kostet ab 1.200 € aufwärts.
Full Canvas
Der König der Anzüge. Traditionell wird ein Anzug, oder Sakko so verarbeitet. Die sogenannte Lose Verarbeitung bietet einen unglaublichen Komfort beim Tragen und in der Passform. Hitze und Transpiration sind kein Problem, da die durchlässige Verarbeitungsweise einen Austausch zwischen Außenluft und Anzuginnerem ermöglicht. Das gilt natürlich auch bei Kälte, denn das entstehende Luftpolster isoliert hervorragend. Einmal mit dieser Qualität in Berührung gekommen möchte man eigentlich nichts anderes mehr tragen.
Je nach Provenienz kostet dieser Luxus aber auch schon zwischen 1.600 € und dem Himmel als Grenze.
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Maß aller Dinge? Oder doch lieber von der Stange?
Die im Vorfeld genannten Preise beziehen sich alle auf Ready-To-Wear Kollektionen, sprich die sog. Stangenware.
Eine Entscheidung für, oder gegen Maßkleidung muss ein jeder von euch selbst treffen. Die Vorteile gegenüber der Stangenware liegen klar auf der Hand – es passt schlicht und ergreifend einfach besser! Solltet ihr jedoch auch mit Schnittführung und Passform eines bestimmten Herstellers sehr gut zurechtkommen, könnt ihr natürlich auch von der Stange kaufen.
Vollmaß oder Maßkonfektion ist heute immer wieder eine Streitfrage. Kurzes klares Statement hierzu: Ein sehr guter Maßkonfektionär steht dem klassischen Maßschneider in fast nichts nach. Maßkonfektion hat eine lange Entwicklung hinter sich und bietet im gehobenen Segment fast die volle Freiheit der traditionellen Maßschneiderei. Auch hier gilt: der Preis wird vom Produktionsstandort, den eingesetzten Tuchen und dem Markennamen diktiert. Made in China, Made in Germany, oder Made in Europe. Es ist eine Frage des Gewissens und der gelebten Kultur.
Zur Themenübersicht
Was also macht einen guten Anzug aus? Habe ich jetzt irgendetwas Wichtiges gelernt?
Ich hoffe diese Fragen könnt ihr jetzt aus dem Stegreif und um zwei Uhr morgens blitzschnell beantworten, bzw. bejahen.
Ein guter Anzug ist der Anzug, der ZU Dir passt, der AN Dir passt. Ein Anzug, der Deinen Mitmenschen stille Bewunderung abringt, weil die Details, das Tuch, der Fall und die Passform so auf dem Punkt sind, dass nur wortloses Staunen diesem Auftritt noch gerecht werden kann.
Das ist der gute Anzug. Stil- und Typberatung, Passform und Schnittführung bespreche ich mit euch gerne ein andermal.
Also: seid authentisch, seid ihr selbst und tut euch was Gutes mit guter Garderobe!
https://www.facebook.com/ctmassarbeit/
https://www.instagram.com/ctmassarbeit/
Kurzprofil des Autors Christoph Tresp:
Christoph Tresp, geboren 1986, lebt und arbeitet in und aus Weißenburg im fränkischen Seenland.
Christoph hat nach dem Abitur die Familientradition fortgesetzt und ist in der Textilbranche geblieben. Über Stationen bei Herrenkonfektionären und Sportswearproduzenten betreibt Christoph heute seine eigene Maßkonfektionslinie und ist als Tuchgroßhändler im deutschsprachigen Raum zuhause. Jahrelang erarbeitetes Expertenwissen rund um Anzüge und deren Produktion sowie seine Leidenschaft für Stoffe teilt er auch gerne mit seinen Kunden. Christoph gibt auch Stil- und Typberatung bei größeren mittelständischen Unternehmen.